Lotte Mucha (1982)

Beitrag in: Klaus Dörner, Albrecht Egetmeyer & Konstanze Koenning, Freispruch der Familie: Wie Angehörige psychiatrischer Patienten sich in Gruppen von Not und Einsamkeit, von Schuld und Last freisprechen.

Auszüge:

Ich bin eine solche Schwester und seit vielen Jahren in der Angehörigenbewegung tätig. Was mich beunruhigt: „Wo sind die Geschwisterangehörigen, wo sind die Ehepartnerangehörigen?”

…  Seit 45 Jahren bin ich Angehörige. Allerdings — „nur eine Schwester” —. Auch bei uns standen die Eltern fast 30 Jahre lang in der „ersten Reihe”. Sie trugen die Pflicht und die Verantwortung für die Betreuung der erkrankten Tochter. Als dann durch ihren Tod die „erste Reihe” ausgefallen ist, kam — nur die Schwester — in die „erste Reihe”. War das ganz selbstverständlich?

…  Dies alles löst bei mir zwar keine Schuld, aber noch so etwas wie ein schlechtes Gewissen aus und dazu die Zweifel: Werde ich den Bedürfnissen der erkrankten Schwester gerecht, was empfindet meine Schwester, wenn sie bei Sport, Spiel und Diskussion nicht mitmachen kann in einer Familie mit Jugendlichen? Wenn ihre Nichte ihr energisch verbietet sie in  der Schule abzuholen, wenn die Meinungsverschiedenheiten laut-stark ausgetragen werden?

…  Wir Angehörige sollten unser Leid nicht abwägen, es wiegt für jeden Einzelnen immer gleich schwer. Darum gehören in keine Gruppe Sätze wie: „Bei mir ist das aber ganz anders… !” Oder: „Bei Ihnen ist das ja nicht so schlimm…, Sie sind ja nur die Schwester.”

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